In der Welt zu Hause
Bayreuth (Juli 2018) - Russland, Skandinavien, Istanbul, USA, Tokyo, Kobe, Nagoya, Taiwan, Peking, Guangzhou und die gesamte EU – es wird einem fast schwindelig, wenn man von den Ländern und Städten hört, in denen die Instrumente der Klaviermanufaktur Steingraeber & Söhne aus dem oberfränkischen Bayreuth vertreten sind. Es ging schon früh los: „Der erste Sprung ins Ausland fand anlässlich der Weltausstellung 1867 in Paris statt, wo Steingraeber gleich mit einer Auszeichnung für zukunftsorientierte Technik ausgezeichnet wurde“, sagt Andreas Kaul, zuständig für Marketing & Kommunikation bei Steingraeber. Im 19. Jahrhundert gingen die Lieferungen hauptsächlich nach West-Europa und Nordamerika, Anfang des 20. Jahrhunderts weitete sich das Liefergebiet der Klavierbauer auf Mittel-, dann auf Südamerika aus. „Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen auch Afrika und der Vordere Orient, und seit den 1980er Jahren auch der Ferne Osten dazu“, berichtet Andreas Kaul.
Gegründet wurde die Klaviermanufaktur 1820 in Orla in Thüringen und siedelte sich dann 1852 in der zweiten Generation mit Eduard Steingraeber in der Festspielstadt Bayreuth an. „Schnell entwickelten wir uns zur bedeutendsten Klaviermanufaktur Bayerns und waren sogar Hoflieferant.“ Ab 1867 wurden die Steingraeber Klaviere regelmäßig mit internationalen Preisen ausgezeichnet und 1906 begannen weltbekannte Designer die Steingraeber Klaviermöbel zu gestalten.
Unabhängiger Klavierbauer, der neues Gütesiegel anregt
„Heute sind wir die einzige eigenständige unabhängige Klaviermanufaktur in Bayern und produzieren nach wie vor aufrechte Klaviere und Flügel aller Größen bis hin zum Konzertflügel sowie mit zukunftsweisender Ausstattung, wie den ´Transducer-Flügel` mit Elektronik.“ Für letzteren hat Steingraeber erst im Mai dieses Jahres den Zukunftspreis der Handwerkskammer Oberfranken erhalten (Link). „Wir sind mit 35 Mitarbeitern eine kleine Mannschaft von ausschließlich hochspezialisierten gelernten Fachkräften inklusive Azubis und Halbtagskräften“, berichtet Andreas Kaul.
Da ihm das herkömmliche Gütesiegel „Made-in-Germany“ zu wenig war, hat der Firmenchef Udo Schmidt-Steingraeber sogar das eigene Gütesiegel „Hergestellt in Deutschland“ in Zusammenarbeit mit Bayern Handwerk International und der Handwerkskammer Oberfranken und der ZDH-Zert entwickelt. Es bescheinigt Herstellern in Deutschland, das mindestens 80 Prozent aller verwendeten und verbauten Rohstoffe ihrer Produkte aus Deutschland stammen und auch zu 80 Prozent hier zu Lande verarbeitet werden. Steingraeber hat einen sehr hohen Qualitätsanspruch, 90 Prozent der Materialien, die der Klavierbaubetrieb verwendet, stammen aus Deutschland. Ausnahmen sind beispielsweise die Hammerfilz-Wolle aus Australien oder der Stimmstock-Ahorn aus Kanada.
Kontakte auf Messen und Tagungen und die Top-3 der schönsten Aufträge
Die Klavierbauer aus Oberfranken haben überwiegend über Messen Kontakte sowohl im In- als auch im Ausland geknüpft - zu Wiederverkäufern wie Fachhändlern als auch Importeuren. Seit den 1980er Jahren werden Fachmessen mit Steingraebers Instrumenten beschickt, darunter die Standorte Singapur, New Orleans, Chicago, Los Angeles, Guangzhou, Shanghai, Tokyo, Yokohama, Paris, London, Rimini, Mailand, Cremona, Reed in Österreich und Genf. Auch internationale Fachtagungen werden mit Steingaebers Instrumenten ausgestattet und Ausstellungsstände gestaltet, zum Teil halten die Klavierbaumeister der Firma Fachvorträge über die Steingraeber-Innovationen.
Der „schönste“ Auftrag? – „Das war sicherlich ein Designerflügel nach einem Entwurf von Jørn Utzon, dem Architekten der berühmten Sydney Oper.“ Der Flügel wurde in den Jahren 2008/2009 für sein Bauprojekt, die Bagsværd-Kirche in Dänemark, angefertigt.
„Für Pearl River (China), größter Klavierhersteller der Welt mit einer Jahresproduktion von ca. 145.000 Stück, fertigten wir eine ganze Serie hochwertigster Konzertflügel mit Basisteilen und deren Konstruktion in Bayreuth“, sagt Andreas Kaul.
Zudem besteht seit 12 Jahren eine erfolgreiche, bis heute laufende Kooperation mit Hurstwood Farm Piano Studios in England, für die Steingraeber Sonderflügel nach deren „Phoenix-Konzept“ in Bayreuth mit Kohlefaserresonanzböden und Stegagraffen baut.
Tipps vom Profi
Bei dem enormen Erfahrungsschatz mit dem Auslandsgeschäft hat Steingraeber natürlich Tipps für Exporteinsteiger: „Gerade in Asien ist es enorm wichtig, sich auf jedes einzelne Land vorzubereiten, denn der Unterschied zwischen den Japanern und den Chinesen ist sicherlich größer als zwischen den Japanern und den Deutschen“, sagt Andreas Kaul. Oft werde der Fehler gemacht, sich auf „Asiaten“ vorzubereiten oder auf „Amerikaner“, ohne Berücksichtigung der landestypischen Unterschiede im Verhalten und im Charakter, so seine Erfahrung.
Was die Produkte selbst angeht, müssen die Klavierbauer vor allem die klimatischen Bedingungen in den Zielländern im Auge behalten: Dies war nach Angaben Kauls in den 1980er Jahren bei Lieferungen nach Singapur die größte Herausforderung: Seitdem hat Steingraeber für empfindliche Klaviere sowohl Tropen-, als auch Wüstenklimakabinen zur Einstellung auf das Empfängerland. Reklamationen wurden damit gegen null gefahren – ein großer Erfolg.
Weltweite politische Krisen stellten die Klaviermanufaktur in der Vergangenheit vor große Herausforderungen: Mittel- und Südamerika waren lange Zeit hochkarätige und solvente Abnehmerländer für Steingraeber, bis die Militärdiktaturen und die Wirtschaftskrisen in diesen Regionen den Handelsbeziehungen ein Ende setzten. „Aber nun haben wir mit einer ersten Lieferung nach Quito (Ecuador) begonnen, bevorstehend ist die erste Lieferung seit 50 Jahren nach Chile. Die Kontakte mit Argentinien und Brasilien werden ebenfalls wiederbelebt. Seit dem 6-Tage-Krieg 1967 gab es auch keine Lieferungen mehr nach Israel: Endlich, seit diesem Jahr gibt es erste Kontakte mit der Musikhochschule in Tel Aviv und der Buchmann-Mehta School of Music der Tel Aviv University; eine baldige Reise im Herbst 2018 ist geplant.+++
Karoline Rübsam, Außenwirtschaftszentrum Bayern