Maas und Roos: Alles außer Nordkorea
Hilpoltsteiner Lichtreklamehersteller exportiert in die ganze Welt
Vermutlich gibt es keinen Haushalt in Deutschland, der völlig frei von Schnickschnack aus dem schwedischen Möbelhaus IKEA ist. Und dieses Phänomen gibt es nicht nur in Deutschland. Auch in Dublin, St. Petersburg, Kairo, Peking, Wien, New Jersey oder Santiago kennt man Högbo und Brimnes. Schon von weitem sieht man in den Städten der Welt die vier strahlend gelben Buchstaben. Und die sind immer gleich. Warum?
Wer hat’s erfunden?
Sie alle werden von einem einzigen Unternehmen hergestellt – Maas und Roos Signage in Hilpoltstein. Sie sind spezialisiert auf Lichtwerbeanlagen. Das Familienunternehmen mit heute rund 150 Mitarbeitern hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich und musste sich seit der Gründung 1959 nicht nur einmal neu erfinden. Heute sind sie aber mit internationalen Kunden wie beispielsweise Samsung, Rolex oder eben IKEA gut aufgestellt. „Egal, wo in der Welt Sie die Rolex-Krone an einem Geschäft sehen: Wir haben sie hergestellt, geliefert und montiert“, sagen die beiden Geschäftsführer Sebastian Gemählich und Alexander von der Grün stolz.
Neubesinnung auf allen Ebenen
2020 wagten sie die Neuorientierung und ließen den Fokus von den in Hilpolstein ursprünglich erfundenen Vollacrylbuchstaben LPFlex wieder mehr zu Großanlagen wandern. „Die Technik für LPFlex wurde kopiert, aber nicht jeder hat das technische Knowhow, um sechs Meter hohe Leuchtbuchstaben herzustellen, ins Ausland zu liefern und zu montieren“, weiß Alexander von der Grün. Metallbauer, Spengler, Elektroniker, Lichtreklamehersteller, Statiker – sie alle arbeiten in der Hilpoltsteiner Produktion Hand in Hand, damit Unternehmen weltweit ihr Corporate Design umsetzen können. „Aus unseren Konzerntagen als AG haben wir noch ein weltweites Netzwerk und können von der Lieferung bis zur Montage Qualität nach immergleichen Standards garantieren. Das ist unser Unique Selling Point“, sagt Alexander von der Grün.
Man braucht viel Zeit
Zum Service gehört zum Beispiel auch die Organisationsleistung, einen von drei in Ägypten existierenden 650-Tonnen-Kränen von einer Seite des Landes auf die andere zu fahren, damit er dort die Leuchtbuchstaben an die Fassade hieven kann. Dazu gehört aber auch, bei der Einfuhr der Produkte oder auf der Baustelle die Nerven zu behalten, wenn Beamte den nötigen Stempel unter einem wichtigen Dokument verweigern. „Es braucht schon ein hohes Maß an kultureller Kompetenz und viel Zeit, so etwas professionell auszudiskutieren statt aufzugeben“, erklärt Matthias Czok. Er reist für Maas + Roos um die Welt und sorgt auf den einzelnen Baustellen dafür, dass alles seinen Gang geht.
Zertifikate, Formulare und der liebe Zoll
Auch in Hilpoltstein kümmert man sich für den weltweiten „Flow“. Fünf der rund 150 Mitarbeiter, unter ihnen auch Oksana Ivanenko, kümmern sich dort um den Export. Sie wissen, welche Zertifikate man in welchem Land braucht. Kniffliger wird es bei nationalen Normen, wie beispielsweise NOM (Norma Oficial Mexicana) für die Einfuhr von Produkten nach Mexiko. Ivanenko und ihr Team kümmern sich aber auch darum, dass alles technisch kompatibel ist. Und sie wissen, mit wem man vor Ort arbeiten kann. Auf wen Verlass ist. Schließlich möchte man nicht auf einer schwarzen Liste landen, weil ein Kunde die eigenen Produkte an ein sanktioniertes Land weiterverkauft hat z. B. in den Iran. „Dann sind Sie erledigt“, sagt Sebastian Gemählich.
Bayern Handwerk International
Damit das nicht passiert, gibt es auch Unterstützung von Bayern Handwerk International (BHI). Das Expertenteam steht allen bayerischen Handwerksbetrieben mit Rat und Tat bei Fragen zur Außenwirtschaft zur Seite. Sie organisieren geförderte Gemeinschaftsstände auf Auslandsmessen, bieten kostenfreie Seminare – und Webinare – an, die auch von Maas + Roos genutzt werden. Durch die Mitgliedschaft von BHI im von der EU geförderten Beratungsnetzwerk Enterprise Europe Network (EEN) unterstützen sie Handwerksbetriebe mit individueller Beratung und EU-geförderten Veranstaltungen. Darüber hinaus wissen sie, worauf es bei Entsendungen ankommt und haben die Tücken der Steuersysteme potentieller Kundenländer im Blick. „Es macht z. B. einen Unterschied, ob Sie eine Lieferung ins Ausland machen oder eine Lieferung mit Montage. Ganz anderer Ansatz“, fachsimpelt Karin Mai von BHI mit Matthias Czok. Der konnte nur zustimmend seufzen: „Und wenn Sie zu lange für die Montage brauchen, müssen Sie gleich noch eine Betriebsstätte anmelden.“
Anforderungen der Kunden
Aber auch die Kunden haben Ansprüche: So musste sich Maas + Roos für IKEA nach dem IWAY-Standard zertifizieren lassen. Er umfasst IKEAs Mindestanforderungen an Umwelt, Arbeits- und Sozialbedingungen (inkl. Kinderarbeit). „Wir müssen z. B. genau nachweisen, wie wir den Abfall trennen und entsorgen - und zwar bis ins letzte Glied der Kette“, führt Alexander von der Grün aus. „IWAY hat uns damals zum Nachdenken gebracht und als wir in den Jahren bis 2017 neu gebaut haben, haben wir sehr auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz geachtet. Das war damals sehr teuer, aber heute kommt es uns zugute“, berichtet er. 10 Millionen Euro wurden investiert. Es gibt Wärmetauscher, Wasseraufbereitung, Fußbodenheizung in der Produktion und Kleinigkeiten, wie z. B. den Aufkleber „Zu schade zum Wegwerfen“. Außerdem wurde eine Ergänzung für die beliebten LPFlex-Schilder erfunden: Greenflex – die weltweit ersten voll recycelbaren Leuchtbuchstaben.
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) international erfolgreich
Und vielleicht ist das auch das Erfolgsrezept von Maas + Roos: Man war erst eine verlängerte Werkbank, dann ein multinationaler Konzern und heute ist man ein inhabergeführtes Unternehmen mit 150 Mitarbeitern. „Es kommt nicht auf die Größe eines Unternehmens an. Die Qualität ihrer Arbeit hat ihre Kunden überzeugt und die Begeisterung für ihr Handwerk – oder ihre Handwerke – hat dafür gesorgt, dass sie sich stetig weiterentwickelt haben. Man muss nicht Siemens sein, um international zu arbeiten“, resümiert Karin Mai. Da können Sebastian Gemählich und Alexander von der Grün nur selbstbewusst zustimmen: „Wir machen alles – bis auf Nordkorea.“
(Das Interview führte Stefanie Stein von der Handwerkskammer Mittelfranken)