Pinsel für die ganze Welt
"Ich glaube an den Welthandel."
Ein Statement, das man so kaum erwarten würde, wenn man sich zum Gespräch mit einem Pinselmacher in Bechhofen aufmacht. Doch betritt man den Arbeitsplatz von Daniel Zahn, Geschäftsführer der in vierter Generation in Familienhand geführten Zahn Pinsel GmbH, findet man dort keine kleine, kruschelige Werkstatt vor, sondern landet in einer hochmodernen Produktionshalle. „Es wird noch viel von Hand gemacht, aber vieles haben wir auch automatisiert und unsere Prozesse verschlankt, sonst könnten wir international nicht mithalten“, erklärt er. Seine Pinselmanufaktur importiert ihre Rohstoffe, z. B. edle Hölzer oder feinste Tierhaare, aus der ganzen Welt. Und exportiert die handgefertigten Profipinsel, die aus ihnen entstehen, dann wieder in aller Herren Länder.
Millimeterarbeit
120 Mitarbeitende beschäftigt Daniel Zahn aktuell, unter ihnen auch zehn Lehrlinge, davon sechs als Pinselmacher. Wie Michelle Wender. Sie arbeitet gerade an ihrem Pinsel für die Gesellenprüfung. Da muss jedes Haar sitzen. Mit dem Millimetermaß und in Handarbeit wird gezupft und gezogen. Bei Rudi Sturm, der seit 31 Jahren Pinselmachermeister ist, und Günther Strickstrock, der seit 44 Jahren im Unternehmen arbeitet, sitzen diese Handgriffe. Sie haben schon jeden möglichen Pinsel gemacht. Und das ist das Erfolgsrezept von Daniel Zahn.
Eine Vielfalt an Pinsel für Unternehmen
"Wir stellen Pinsel für Unternehmen her, die diese weiterverkaufen, nicht für den Endkunden im Schreibwarenladen oder Baumarkt. Dabei sind wir breit aufgestellt: Wir machen Kosmetikpinsel für Naildesigner genauso wie Malerpinsel, Künstlerpinsel oder Zahntechnikerpinsel. Es gibt sogar Baristapinsel zum Reinigen der Kaffeesiebe." Gut 9 Millionen Euro setzte die Zahn Pinsel GmbH 2023 um, das sind ca. 8 Millionen Pinsel. Doch bevor ein Pinsel in der Halle in Bechhofen produziert wird, wird er erst mit dem Kunden zusammen nach dessen individuellen Bedürfnissen entworfen. Einer der Hauptabsatzmärkte der Zahn Pinselmanufaktur sind die USA. Doch bis zu 50 Prozent der Produktion geht auch in EU-Länder, in denen es fast keine eigene Herstellung mehr gibt.
Ein Hoch auf den EU-Binnenmarkt
"Die EU hat unser Leben in vielerlei Hinsicht vereinfacht", sagt Daniel Zahn. "Ich erinnere mich noch an meine Ausbildung. Wenn wir damals Pinsel ins Ausland verkaufen wollten, mussten wir uns mit dem Kunden als erstes darauf einigen, in welcher Währung wir überhaupt fakturieren. Wegen der schwankenden Wechselkurse war das immer ein Risiko. Außerdem mussten wir die Zollbestimmungen aller Länder im Blick haben." Eine Lieferung innerhalb von zwei Tagen? "Keine Chance! Der Lkw stand manchmal schon allein eine Woche an der Grenze. Und wehe, es mussten für den Zoll Papiere nachgereicht oder korrigiert werden." Aber es gab noch mehr zu beachten: "Im einen Land waren die Haare eines Tieres verboten, weil es als vom Aussterben bedroht galt, im anderen Land durften wir ein bestimmtes Holz nicht verwenden und im nächsten fiel unser Leim unter die verbotenen Gefahrenstoffe. Und lassen Sie uns nicht über die nationalen Verpackungsverordnungen sprechen", erinnert sich der Geschäftsführer.
Er ist daher ein großer Fan der EU. Seine Top 3? "Einheitliche Währung, einheitliche Gesetzgebung und ein Wirtschaftsraum", antwortet er. "In den USA sind wir oft mit einem Bein schon im Gefängnis. Kalifornien hat beispielsweise die strengste Umweltgesetzgebung – die ich auch beachten muss, wenn ich nach Texas exportiere. Denn niemand kann mir garantieren, dass der Pinsel nicht doch in Los Angeles landet.“ Das ist in der EU anders. Über REACH sind z. B. seit 2007 alle Gefahrenstoffe EU-weit einheitlich geregelt. Was in Deutschland gilt, geht auch in Frankreich. Auch die Freizügigkeit ist ein riesiger Vorteil der EU, wenn sie auch für Pinselmacher nicht wirklich ins Gewicht fällt. "Pinselmacher ist nur in Deutschland ein anerkannter Ausbildungsberuf", erklärt Daniel Zahn. "Wir haben daher die Erfahrung gemacht, dass wir unsere Fachkräfte selbst ausbilden müssen. Wir freuen uns übrigens, wenn wir für 2024 noch Bewerbungen erhalten", sagt der Inhaber der Pinselmanufaktur augenzwinkernd.
Verbesserungsvorschläge für den Bürokratieabbau
So viele Vorteile die EU für ihn als Unternehmer aber bringt, er sieht auch Nachbesserungsbedarf: "Wir leiden unter der Bürokratie", seufzt er. Zählt er die Stunden im Ein- und Verkauf sowie der Verwaltung zusammen, die allein dafür drauf gehen, kommt er auf eine Halbtagesstelle. "Kleine Betriebe können das gar nicht stemmen", weiß er. Für ihn läge die Lösung auf der Hand: "Warum zwei Gesetzgebungen? In dem Moment, in dem ein EU-Gesetz eine Frage regelt, müsste die nationale Gesetzgebung an diesem Punkt abgeschafft werden", schlägt er vor. Das gleiche gilt für die Verwaltung. "Sie ist nicht wertschöpfend und muss daher auf ein Minimum reduziert werden. Wenn ich Rohstoffe importiere und daraus einen Pinsel herstelle, habe ich einen Wert geschaffen. Mit diesem Gewinn finanziere ich dann über Steuern viel zu viel Bürokratie mit. Das muss schlanker werden. Und gerne übrigens auch digitaler, um Prozesse zu beschleunigen." Doch nervt ihn die Bürokratie der EU so sehr, dass er einen Dexit befürworten würde? "Auf keinen Fall", sagt Daniel Zahn mit Nachdruck. "Ich glaube daran, dass der freie Handel zu Wohlstand führt. Und die EU ist ein riesiger Gewinn für uns."
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Das Interview führte Stefanie Stein von der Handwerkskammer Mittelfranken